Alles anders und doch genau gleich - die Rückkehr in die Schule
- Schulsozialdienst
- 13. Mai 2020
- 4 Min. Lesezeit
Ein Beitrag von Timothée Wahlen, Tanja Domenig und Rahel Brun - Schulsozialdienst.ch
Montag, 11. Mai 2020 - ein Datum, das von vielen sehnlichst herbeigesehnt wurde! Denn mit diesem Tag kehrte nach wochenlangem Lockdown endlich wieder ein Stückchen Alltag in unser Land zurück. So öffneten unter anderem auch die Schulen ihre Tore. Wie der erste Schultag nach dieser aussergewöhnlichen Zeit in einem Kindergarten, in einer Primarschule und in einer Oberstufe gestaltet und erlebt wurde, berichten drei Schulsozialarbeitende des Schulsozialdienstes.
Eindrücke aus dem Kindergarten (Timothée Wahlen): Die Freude ist den Kindern ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Freundinnen, Freunde und ihre Lehrpersonen nach langer Zeit wiedersehen. Vor dem Kindergarten heisst es dann, für viele das erste Mal seit acht Wochen, Abschied von den Eltern zu nehmen, was den Kindern nicht schwerer zu fallen scheint als vor dem Lockdown. Der Morgenkreis dauert an diesem Montagmorgen dann länger als gewohnt. Viele Kinder haben grossen Redebedarf. Sie wollen mitteilen, was sie erlebt haben und was sie beschäftigt. Corona selbst aber ist, von dem Besprechen der Regeln abgesehen, kaum Thema. Angst davor scheint von den Kindern keines zu haben.
Für die Kindergartenlehrpersonen heisst es nun genügend Zeit für das regelmässige Händewaschen einzuplanen und die Kinder immer wieder an den Abstand zu erinnern. Letzteres ist wohl eine der grössten Herausforderungen, da sind sich die Lehrpersonen einig. Linien am Boden sollen helfen, daran zu denken, in der Praxis aber zeigt sich die Abstandsregeln allerdings schwierig umsetzbar. Viele der Kindergartenkinder müssen sich zuerst noch daran gewöhnen. Die Lehrpersonen nehmen es bestmöglich mit Humor: «Ein Kind läuft zu mir und erzählt mir etwas. Ich lächle, höre zu und mache einen Schritt zurück. Das Kind tritt näher. Dieses Spiel geht so weiter, bis ich dann mit dem Rücken zur Wand stehe. 😉»
Die Stimmung als solches an diesem Montag ist gut. Als Beobachter hat man das Gefühl, es sei alles beim Alten. Auch die Abläufe und Regeln sind noch immer in den Köpfen verankert und vieles funktioniert wie zuvor.
Eindrücke aus der Primarschule (Tanja Domenig):
Ausser den Desinfektionsmitteln vor dem Eingang und den pinken Plakaten an den Türen erinnert am Montagmorgen nichts an die achtwöchige Schulschliessung aufgrund der Corona-Krise. Die Schülerinnen und Schüler plappern und spielen auf dem Schulhausplatz, während sie darauf warten, dass die Schulglocke ertönt. Einige Kinder suchen das Gespräch zu uns Schulsozialarbeitenden. Jedes einzelne erzählt freudestrahlend, dass es sich auf die Schule gefreut hat. Einige berichten auch, dass es ihnen zu Hause zwar gefallen hat, sie sich aber freuen, ihre Schulfreundinnen und Schulfreunde sowie die Lehrpersonen wiederzusehen.
Nachdem sich eine Viertelstunde später alle Kinder in den Klassenzimmern befinden, beginnen wir damit, unser Büro nach den Vorschriften des BKS einzurichten. Dazu gehört unter anderem, dass wir Schulsozialarbeitende, wie auch alle anderen Personen, stets zwei Meter Abstand zu unseren Gesprächspartnerinnen und -partnern einhalten. Unser Büro ist nun deshalb mit Klebeband markiert, die anzeigen, wo sich die Stühle befinden müssen. Das sieht ziemlich komisch aus, denn die Stühle für die Kinder befinden sich nun auf der einen Seite des Zimmers, während die Stühle für uns auf der anderen Seite sind. Der Abstand scheint riesig und wird wohl eine Veränderung in den Beratungssituationen mit sich bringen.
Alle Schülerinnen und Schüler sind dazu angehalten, sich bei jedem Wechsel des Klassenzimmers die Hände zu waschen. Das hat uns dazu bewegt, den Weg zum Waschbecken mit Pfeilen am Boden zu markieren – so geht das Händewaschen bestimmt nicht vergessen! Auch haben wir Handseife, Handdesinfektionsmittel und Oberflächenreiniger im Büro bereitgestellt.
Bestens eingerichtet und allen Umständen zu trotz freuen wir uns darauf, die Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrpersonen nun endlich wieder in unserem Schulsozialdienstbüro empfangen zu dürfen!
Eindrücke aus der Oberstufe (Rahel Brun): An diesem Montagmorgen finden sich immer mehr Schülerinnen und Schüler auf dem grossen Pausenplatz ein, denn in 15 Minuten ist Schulbeginn. In kleinen Gruppen stehen die Jugendlichen vor dem Eingang der Schule. Nachdem sich wochenlang nur maximal fünf Personen zusammenfinden durften, ist es für viele doch ein spezieller Moment, heute mit beinahe 300 anderen Jugendlichen auf dem Schulhausplatz zu stehen. Die Einen strahlen über beide Ohren, als sie ihre Freunde erblicken, und gehen direkt auf sie zu, während andere etwas zurückhaltender sind und eher unsicher auf dem Pausenplatz stehen: Was kommt nun auf sie zu? Wie müssen sie sich im neuen Schulalltag verhalten?
Währenddessen haben sich die Klassenlehrpersonen mit genügend Abstand im Eingangsbereich versammelt, um ihre Schülerinnen und Schüler willkommen zu heissen. Die erste Lektion wird genutzt, um in der Klasse die neuen Verhaltensregeln in der Schule zu besprechen und auch, um zu erfahren, wie es für die Jugendlichen ist, nach so langer Zeit wieder in die Schule zu kommen. Wie zu erwarten war, haben sich die meisten Schülerinnen und Schüler auf das Wiedersehen mit Freunden gefreut. Einige sind auch froh, dass sie nun nicht mehr für sich alleine lernen müssen. Nach all dem Lobgesang auf den wiedergewonnenen Präsenzunterricht sind sich die Schülerinnen und Schüler aber einig: Das längere Schlafen am Morgen in den letzten Wochen war eine tolle Sache und dürfte gerne beibehalten werden.
Es ist spürbar, dass während des Lockdowns ein reger Austausch zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern stattgefunden hat, wodurch die Beziehungen trotz räumlicher Distanz weiterhin gepflegt werden konnten. Daran kann nun angeknüpft werden. Der Umgang untereinander wirkt vertraut, die Stimmung in den Schulzimmern entspannt, wenngleich noch nicht alle Jugendlichen in den Arbeitsmodus zurückgefunden haben. Die Freude ist sichtlich da, dass ab heute der «normale» Schulalltag wiederbeginnen kann. So normal, wie dies in Corona-Zeiten nun mal möglich ist, mit Plakaten und Desinfektionsmitteln, die zur regelmässigen Handhygiene auffordern und Linien am Boden, die an den einzuhaltenden Abstand erinnern. Bereits nach wenigen Lektionen höre ich im Gang die ersten Schülerinnen und Schüler über Schulstoff lästern. Ich muss lächeln. So schnell ist wieder alles beim Alten!
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